Moderne Märchen

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Es war einmal ..

Ja, so fangen die meisten Märchen an. Die modernen Märchen allerdings verzichten bei Bedarf sowohl auf den vertrauten Anfang als auch auf das Happy End.

Moderne Märchen sind keine Gegenwarts-/Situationsbeschreibung und der drohender Zeigefinger ist viel versteckter. Moderne Märchen sind eher Geschichten, die rund um winzige Begebenheiten erklärendes Wortmaterial ansammeln. Und da das Leben nicht zwangsläufig alles zum Guten führt, fehlt auch manchmal jenes gute Gefühl, dass sich bei den alten Märchen zwangsläufig einstellt, wenn man am Ende der Geschichte das Buch zuklappt.

Mein erstes modernes Märchen handelt von einer Frau. Nennen wir sie Karla. Sie ist die Frau des Prominenten Xaverl und darüber hinaus ein schöner, graziler, exotischer Mensch. Wieso Xaverl einmal prominent wurde und blieb, ist nicht so wirklich nach zu vollziehen. Irgendetwas in seiner Ausstrahlung. Seinem Lachen. Seiner Präsenz. Weder sein Schauspieltalent noch sein Gesang sind irgendwo ganz oben anzuordnen. Aber die Menschen lieben ihn. Weil er sich so natürlich gibt. Weil er den Eindruck des normalen Menschen gibt. Keine Starallüren und keine Berührungsängste hat. Gespräche mit ihm sind locker, charmant und witzig, scheinbar ehrlich. Medien und Journalisten reißen sich um ihn. Und das schon seit Jahren. Nach außen geben er und Karla ein Traumpaar. Doch wie sieht es wirklich aus?

Karla hat ihn erst kennengelernt, als er schon VIP-Status hatte. Von Hause aus eine sensible Künstlerin mit tiefer Seele traf sie auf den gerne fröhlich feiernden Naturburschen. Eine Romanze begann und die beiden so verschiedenen Persönlichkeiten verliebten sich sehr schnell ineinander. Gegensätze, die sich anziehen. Die Faszination des anderen in der Anfangszeit der Verliebtheit ließ beide blind werden für die Realität und das, was andere schon lange wussten. Sollte diese Beziehung ein Happy End behalten, musste einer seine Identität dem anderen unterordnen.

Sie heirateten also. Die Liebe fürs Leben. Ein wunderschönes Fest. Sie genoss zweifellos den Prominentenstatus den sie als Mitgift bekam. Die Hochzeit des Publikumlieblings wurde in allen Blättern ausgeschlachtet. Ihr Foto prangte von allen Zeitungen Deutschlands. Ein tolles Gefühl! Ein tolles Gefühl.

Das Leben an seiner Seite bot Abwechselung. Als ursprünglich freischaffende Künstlerin und nun von jeglichen Geldsorgen befreit konnte sie sich die Zeit nehmen um mit Xaverl durch die Lande zu reisen. Man sah sie nur zusammen. Kein Fest, auf dem sie nicht beide erschienen. Kein Interview mit ihm, bei dem sie keinen Augenkontakt hatten. Er vor dem Mikrofon und der Kamera, sie im Off.

Sie hielt es anfangs für Liebe, das er sie ständig in seiner Nähe haben wollte.

… wird vll. irgendwann fortgesetzt….