Anfang Januar 2007 kam Lilly zu uns.
Nach Emmys Lebensende blieb uns noch Lilly. Sie stammte aus einem Zwinger, der dem LCD Club angehörte und nach strengen Vorschriften züchtete. Als wir den Wurf besuchten um einen Welpen auszusuchen sowie der Züchter und wir uns kennen lernen konnten, die Mutter der Kleinen sehen konnten und ein Gefühl für die ganze Sache bekommen konnten, war es schlußendlich Lilly, die sich MICH ausgesucht hat.
Wir sassen auf Strohballen in der Hütte, in der der Wurf untergebracht war. Um uns wuselten die kleinen Labradorhundchen. Während wir mit dem Züchter sprachen, kam eins dieser kleinen Hundchen immer wieder zu mir, spielte mit meinen Schnürsenkeln und hatte mich offensichtlich ins Herz geschlossen. Und das Schicksal hatte entschieden. Ihr Name war Clara. Und nach einigen Wochen konnten wir sie dann in Freudenberg abholen und sie als neues Rudelmitglied zuhause begrüssen.
Während Emmy so „aha, ok, aber die geht ja bestimmt bald wieder“ drauf war, fand meine Tante Klara, die nebenan wohnte es sehr blöd, dass der Hund, den wir nun ständig riefen, Clara hieß. Wir dachten auch, ein anderer Name wäre besser und so tagte der Familienrat inclusive Patentante und wir einigten uns auf den schönen Namen Lilly.
Was wir nicht bedacht hatten war, dass unser Nachbar „Willi“ genannt wurde, was zur Folge hatte, dass seine Frau sich anfangs wunderte, was wir nur immer von ihrem Mann wollten …. – aber bei Lilly blieb es dann.
Obwohl Emmy anfangs von Lilly nicht so überzeugt war, wurden die beiden doch noch ein Traumpaar.
Lilly wurde von Emmy quasi mit erzogen und bereitete keine größeren Probleme. Sie war ausserdem schlau und man konnte ihr tolle Tricks beibringen. z.B., wenn jemand „hatschi“ sage (also wie beim Niesen), brachte sie ein Päckchen Taschentücher. Wenn das Telefon schellte, fand sie es und brachte es. Das haben wir dann aber wieder gelassen, weil das Telefon mit dem Sabber aus dem Maul nicht so gut klar kam.
Einmal beim Spazierengehen hatte sie plötzlich eine Taube im Maul. Diese lebte und guckte etwas panisch. Ich guckte und schrie dann etwas panisch. Lilly ließ sie auf meinen „Aus! Aus! Aus!“ Befehl natürlich sofort – wenn auch irritiert – wieder los. Als ich etwas später nachgesehen habe, ob die Taube sich vll. verletzt hatte, war sie nicht mehr in diesem Gebüsch, in dem Lilly sie gefunden hatte.
Dann haben wir gelesen, dass Labradore ein sgn. weiches Maul haben, und damit in der Lage sind, die zu apportierende „Beute“ – sie sind eigentlich mal für die Entenjagd gezüchtet wurden – nicht zu verletzen. Tatsächlich konnte sie auch aufgeblasene Luftballons ins Maul nehmen, ohne, dass diese platzten. Als die Kinder mit einem Luftballon spielten, wollte sie mitspielen und nahm ihnen den weg – und so vorsichtig, dass er wirklich nicht platzte.
Wir hatten ihr irgendwann zu Beginn beigebracht, die Haustür zu öffnen. Das war für die Spätheimkehrer mit vergessenem Schlüssel ideal, um doch noch ins Haus zu kommen. Lilly war da wirklich eine Hilfe und hat – zumindest zu Anfang – auch nur Familienmitgliedern die Tür aufgemacht. Tja, bis zu dem Tag, an dem niemand von uns daheim war und die Postbotin ein Paket für uns hatte. Sie klingelte, keiner machte auf. Sie klingelte noch einmal (ja, zu der Zeit waren Pakete eher selten bei der täglichen Post und die Postbeamten hatten auch Zeit, 2x zu klingeln) und plötzlich ging die Tür auf und unsere Lilly schaute zur Tür hinaus. Die Postbotin war kurz erschrocken, besonders weil kein Mensch dem Hund folgte, aber wie das hier auf dem Land so ist, schickte sie den Hund zurück und zog die Tür einfach wieder ins Schloss. Das fand Lilly aber wohl doof, denn sie öffnete erneut die Tür. Die Postbotin schon halb im Auto suchte nach der „versteckten Kamera“ – denn für sie konnte nur so ein Scherz der Hintergrund sein. Sie wieder raus aus dem Auto und am überlegen, was sie machen sollte. Sie hatte noch ein Leckerchen in der Tasche, warf es dem Hund ins Haus, zog schnell die Tür zu und fuhr flux davon.
Einen Tag später erzählte sie die Geschichte und wir mussten herzhaft lachen. Dies Tür-auf-Geschichte haben wir dann nicht mehr gemacht und bei längerer Abwesenheit die Tür richtig abgeschlossen. Denn es hätte ja auch mal jemand ohne gute Absichten …. Danach haben wir dann auch die Wand neben der Tür renoviert, denn die hatte durch die Krallen der linken vorderen Pfote, mit der sie sich abstütze während sie mit der rechten Pfote die Türklinke runterdrückte, arg gelitten.
Leider hatte Lilly hatte panische Angst an Silvester wenn die Raketen gezündet wurden. Und nein – es bestand kein direkter Zusammenhang mit einem eventuell doch mal geplatzten Luftballon. Sie war einmal sehr nah an startenden Raketen und das hat offensichtlich bleibende Ängste hinterlassen. Je älter sie wurde, um so schlimmer war es. Es brach einem das Herz, wie sie am ganzen Körper zitterte und regelrechte Angst hatte. Wir haben vieles ausprobiert um ihr die Angst zu nehmen. Laute Musik im Haus, Fenster abgedunkelt. Selbst die Beruhigungsmittel vom Tierarzt halfen nicht viel. So sind wir dann Silvester immer zuhause geblieben. Ich hätte sie niemals alleine gelassen, in dieser Angst.
Am 10.06.21 – ebenso wie Emmy mit fast 15 Jahren – mussten wir sie gehen lassen. Sie wollte nicht mehr fressen, egal was wir ihr anboten – und sie wurde immer dünner. Ihre Kraft schwand, ausserdem kam offensichtlich eine Art Demenz hinzu. Sie stand immer öfter irgendwo und sah total verloren aus, weil sie nicht wusste, was sie machen sollte. Es zerriss mir mein Herz, meinen ersten echten Seelenhund so zu sehen. Und wieder war es an mir, sie zu erlösen. Ich dankte ihr für die vielen schönen Jahre. Immer meine treue Begleiterin. Es ist sehr traurig, sich diese Erinnerungen wieder hervorzurufen. Die Videos zu sehen, wie wackelig sie auf den Beinen war, wie sehr sie abgemagert war.