Fondue am Bodensee

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Nicht der Bodensee - der Biggesee bei Olpe

„Wir sind zum Fondue beim Conny eingeladen“, mit dieser Neuigkeit begrüßte mich mein Mann, als er nach seinem letzten Arbeitstag vor Weihnachten 2007 durch die Haustür schritt. Er gab mir einen Kuß. „Prima“, antwortete ich „wann denn?“ „Zwischen Weihnachten und Neujahr.“

Naja, dachte ich so bei mir, ganz schön kurzfristig für eine Fahrt vom Sauerland an den Bodensee mit 2 Kindern und 2 Hunden und im Anschluß mit Gästen zu Silvester. „Was machen wir mit den Kindern und den Hunden?“ Er erklärte mir dann, dass er alles schon geplant habe. Die Kinder und Hunde würden wir bei seinem Vater im Schwarzwald lassen. Wir würden am xx runterfahren, alle bei seinem Vater übernachten, er und ich am nächsten Tag nach Mittag weiter an den Bodensee fahren, das Hotelzimmer dort wäre schon gebucht, einen gemütlichen Abend bei Conny und Tini verbringen und am nächsten Tag Kinder und Hunde wieder einsammel und zurück nach Hause fahren.

OK. Hörte sich gut an.

Und es klappte auch alles. Die 400 km Fahrt zum Schwiegervater legten wir ohne Verzögerungen durch Staus oder ähnliches zurück. Alles war sehr entspannend. Am nächsten Tag fuhren er und ich am späteren Nachmittag Richtung Singen. Gegen 17.00 h bezogen wir das Hotelzimmer. In diesem Hotel hatte er bereits des öfteren übernachtet, wenn er geschäftlich am Bodensee war. Er war also sozusagen Hotel- als auch Ortskundig. Wir machten uns noch kurz frisch, tranken etwas in der dem Hotel angeschlossenen Bar und überlegten, ob wir mit einem Taxi zu Conny, zu Fuß gehen oder mit seinem Wagen fahren und diesen dann dort stehen lassen sollten. Wir entschieden uns für letzteres und waren dann pünktlich um 18.00 h dort.

Es war ein total schöner Abend. Wir hatten uns länger nicht gesehen und daher viel zu erzählen. Dazu gab es noch ein tolles Fondue und die beiden waren aufmerksame Gastgeber. Bier, Wein und diverse Getränke, die aus kleinen Gläsern getrunken werden ließen den Alkoholpegel in die Höhe steigen. Gegen 0.30 h waren wir gut angeschickert, satt und müde, und machten uns Gedanken über unseren Aufbruch. Wir hatten am nächsten Tag schließlich noch eine Fahrt von ca. 550 km vor uns.

Conni bestellte uns ein Taxi, dass innerhalb weniger Minuten vor der Tür stehen sollte, wir schnappten uns unsere Jacken, bedankten uns bei unseren Gastgebern und schlugen den Weg zur Tür ein. Ich fragte über meine Schulter nach hinten zu meinem Mann: „Hast du auch die Schlüssel?“ Er: „Klar, Autoschlüssel habe ich hier. Aber wir fahren doch mit einem Taxi.“ Ich antwortete: „Das weiß ich auch – ich meine den Hotelschlüssel!“ Er nach einer kurzen Pause: „Nö. Hab ich nicht.“

Durch Alkohol vernebelt dachte ich, er veräppelt mich. Ich sagte: „Sehr witzig. Kannst froh sein, dass du mich hast. Stell dir vor, wir würden den Schlüssel hier liegen lassen.“ Er sagte erst gar nichts und dann mit Nachdruck: „Ich hab den Schlüssel nicht.“ Ich drehte mich zu ihm um und fragte: „Wo ist der Schlüssel denn?“ Er:“Den hab ich an der Rezeption abgegeben. So wie ich das immer gemacht habe.“ Ich: „Hä? Wieso das denn? Und wenn da jetzt keiner mehr ist?“ Er: „Da ist bestimmt noch wer.“ Ich guckte verstört zu Conny und Tini. Letztere ergriff die Initiative und rief im Hotel an. Dort lief nur eine Bandansage, dass die Rezeption zur Zeit nicht besetzt sei.

Meine gute Laune, aber auch mein Alkohopegel, waren schlagartig wie verflogen. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich Kontaktlinsenträgerin bin. Maximale Tragezeit der Linsen eigentlich 14 Stunden am Tag. Diese hatte ich inzwischen weit überschritten und die Augen brannten wie Feuer. Ich hatte das dringende Bedürfnis, die Linsen aus den Augen zu nehmen und dann in ein schönes, warmes Bett zu liegen und gaaaaanz lange zu schlafen. Aber das dieses Wunschdenken in absehbarer Zeit Wahrheit werden sollte, konnte ich in diesem Moment nicht mehr klar vor mir sehen.

Alleine die Zuversicht mit der mein Mann sagte: wir kommen da irgendwie rein, ließ mich mit ins Hotel fahren. Sonst hätte ich direkt von Tinis Angebot Gebrauch gemacht und mich aufs Sofa gelegt. Sie nahm mir aber das Versprechen ab, noch kurz anzurufen, wenn wir auf dem Zimmer wären. Sie würde solange wach bleiben.

Wir also mit dem Taxi zum Hotel. Mein weit-vorausschauender-Mann räusper nahm beim Aussteigen eine Visitenkarte mit der Rufnummer des Taxis mit.

Beim Hotel war alles dunkel. Nur eine Mini-Nachtbeleuchtung war an.
Wir gingen auf die erste Glastür zu. Drückten – und sie ging auf. Hurra! Wir waren drin. Dann zur zweiten Tür – bisher standen wir ja nur im Windfang. Drückten – und sie war verschlossen.
Na klar. Muß ich eigentlich immer Recht behalten?? 🙂

Wir waren ausgesperrt vom Bett, Kontaktlinsenbhälter, Zahnbürste, und allem anderen. Ich hätte heulen können und wurde extrem sauer auf meinen Mann. Wieso hat er den Schlüssel nicht mitgenommen? Warum habe ich nicht selber darauf geachtet, den Schlüssel mit zunehmen. Mache ich doch sonst auch immer!

Mein Mann gab aber nicht auf. „Bleib hier, ich komme gleich wieder.“ Er machte sich auf den Weg, das Hotel zu umrunden um irgendwo jemanden zu finden, der uns hinein lassen könnte. Es war glatt draußen, er war angetrunken und er kam nicht wieder. Auch nicht nach 10 Minuten. 10 Minuten alleine, nachts im Windfang eines Hotels können ganz schön lang werden. Ich begann, mir Sorgen zu machen. Was, wenn er irgendwo ausgerutscht war und mit dem Kopf angeschlagen auf der Erde lag. Mütter entwickeln da manchmal so Horroszenarien, das macht einem echt Angst.

Plötzlich ging im Treppenhaus, hinter dem Windfang, das Licht an. Und wer kam die Treppe runter gestiefelt, mit einem breiten Grinsen auf seinem Gesicht: mein Mann. Boah, war ich stolz – und fühlte mich für ca. 30 Sekunden sicher und beschützt. Allerdings konnte ich ihm das nicht zeigen. Ich war ja noch beleidigt und sauer. Er öffnete die zweite Glastür und wir befanden uns in dem Raum, indem ein paar Stunden vorher auch noch die Rezeptionstheke gewesen war. Die war jetzt jedoch hinter einer stabilen metallischen Jalousie verschwunden. Und damit auch unser Zimmerschlüssel.

Wir gingen die Treppen hoch zu unserem Zimmer. Das war natürlich zu. Alles andere hätte mich jetzt extrem gewundert. Er versuchte seinen Scheckkartentrick, der jedoch nicht funktionierte, da das Zimmer zweimal abgeschlossen und nicht einfach nur zugezogen war. Jetzt sah ich mich vor meinem inneren Auge im Türrahmen auf dem Teppich sitzend, schlafend und ich dachte: „Ich bin zu alt für so was!“ Dann sah ich die Alternative: immerhin besser, als im Windfang.

Hier kamen wir nicht weiter und gingen zurück in den Rezeptionsbereich und sahen uns dort um. Jetzt fand ich auch Zeit, ihn zu fragen, wie er eigentlich rein gekommen war.

Er erzählte, er wäre eine Feuerleiter hochgeklettert und auf dem Flachdach über der Bar gelandet. Von dort hätte er ein beleuchtetes Zimmer des Hotels gesehen. Dort hätte er geklopft und zu dem etwas verwirrt überrascht guckenden, das Fenster öffnenden Gast gesagt: er müsse mal eben durch sein Zimmer. Ob er ihm mal durchs Fenster hinein helfen könne – was dieser Hotelgast tatsächlich getan hat. Der sucht vermutlich jetzt immer noch nach der versteckten Kamera…

So war er jedenfalls ins Treppenhaus gelangt und konnte mich hinein lassen. Wir guckten uns um, was hier noch so für Türen waren. Eine verspiegelte Feuerfeste, einen in einen Putzraum und eine zu den Toiletten. Diese besuchte ich erst einmal. Als ich zurück kam stand mein Mann im Putzraum und durchsuchte alle Regale und Ecken. Auf meine Frage, was er mache meinte er McGyver-Like: Putzfrauen haben Generalschlüssel. Der muß hier doch irgendwo liegen….

..dem war aber nicht so… dafür würden die Putzfrauen am nächsten Tag erstmal für Ordnung im Putzraum sorgen müssen.

Ich dagegen fand ein DIN A3 großes Schild an der Wand, dass einem beim Verlassen des Hotels sozusagen direkt ins Auge springt. Darauf stand in großen Buchstaben:

Liebe Gäste! Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass die Rezeption in der Zeit von 0.00 h – bis 6.00 h nicht besetzt ist.

Immerhin fanden wir auch eine Telefonnummer ganz klein unten auf dem Schild. Die Nummer für Notrufe. Wir riefen an. Eine Weile passierte gar nichts, dann schellte es plötzlich hinter der metallenen Jalousie.. wir sahen uns an und mußten – trotz allem – lachen.

Dann riefen wir bei Tini an, die ja schon auf heiße Kohlen sitzen musste. Sie sagte: kommt hoch, irgendwo könnt ihr schon pennen.

Wir also ein Taxi – anhand der Taxi-Visitenkarte von vorher – gerufen und wieder zu Tini gefahren. Conny lag schon längst im Tiefschlaf, Tini hatte noch aufgeräumt. Ich bekam dann einen Platz auf ihrem Sofa, mein Mann auf einer kleinen ausziehbaren Couch. Jeweils max. Platz für 1 Person die idealerweise um 1,60 m Körpergröße hätte haben sollen. Aber es ging irgendwie.

Meine Linsen pappte ich in zwei Schnapsgläser, in die ich vorher sämtliche noch in meiner Tasche befindlichen Benetzungstropfen gekippt hatte und legte mich mit allen Kleidern aufs Sofa, wo ich dann irgendwann auch einschlief. Allerdings erst nach meinem Mann, wie mich sein tiefes, gleichmässiges, nicht zu überhörendes Schnarchen informierte.

Der Rest ist schnell erzählt. Um 6.00 h weckte mich mein Mann. Er wäre fit und wolle jetzt ins Hotel, ob ich fahren könne. Ich sagte: vermutlich nein.. ich müsste erstmal gucken, was mit den Linsen wäre. Er: Egal, dann fahre ich. Wir uns aus der Wohnung geschlichen, ins Auto gesetzt uns zum Hotel gefahren.

Die junge Dame an der Rezeption sah beschämend frisch aus – ganz im Gegensatz zu uns, die wir Übernächtigt, Ungewaschen und mit rotgeränderte Augen das Gegenteil von ihr waren, und wünschte uns breit lächelnd einen schönen guten Morgen. Bah, wie fies!

Mein Mann verlangte ganz selbstverständlich den Zimmerschlüssel und ging hoch – ich schlich beschämt hinter ihm her. Während er sich aufs Bett fallen ließ und nur Sekundenbruchteile später eingeschlafen war, stellte ich mich mindesten 20 Minuten unter die heiße Dusche. Schlafen konnte ich nicht mehr, aber ausruhen im Bett war auch sehr angenehm. Gegen 9.00 h standen wir dann auf, räumten das Zimmer und bezahlten an uns inzwischen so gut bekannten Rezeption.

Während mein Mann den Papierkram erledigte las ich ein weiteres Schild an der Wand.
Dort stand: Liebe Gäste! Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass dieser Raum Videoüberwacht wird.!

Ob wir jetzt irgendwann mal bei youtube „berühmt“ werden…???